Leitzinsen steigen – jetzt noch schnell Immobilienkredit oder Anschlussfinanzierung sichern?

Die Europäische Zentralbank will im Juli erstmals seit Langem ihre Leitzinsen anheben. Wer in absehbarer Zeit eine Immobilie kaufen will oder irgendwann fürs finanzierte Haus eine Anschlussfinanzierung braucht, könnte sich jetzt dadurch gedrängt fühlen, sich möglichst bald einen Kreditvertrag zu sichern. Doch ist das wirklich sinnvoll?

Wie wirkt sich die Leitzinserhöhung aus?

Der Leitzins wird ab Juli 2022 von 0 % auf 0,25 % erhöht. Doch was bedeutet das überhaupt? Mit dem sogenannten Leitzins wird das allgemeine Zinsniveau und damit die Geldmenge reguliert, die im Umlauf ist. Liegt der Leitzins niedrig, kann sich eine Bank günstig Geld bei der Europäischen Zentralbank leihen und entsprechend günstige Kredite an ihre Kunden weitergeben. Durch den Niedrigzins können Unternehmen also mehr investieren und Privatleute mehr konsumieren. Entsprechend wird die Wirtschaft angekurbelt.

Um den derzeitigen starken Preissteigerungen in Europa entgegenzuwirken, sieht sich die Europäische Zentralbank allerdings gezwungen, von der bisherigen Niedrigzinsstrategie abzurücken. Denn sie muss für Preisstabilität in Europa sorgen, damit der Euro nicht an Wert verliert. Wird der Leitzins wegen der steigenden Inflation erhöht, wird es für die Banken teurer, sich Geld von der Europäischen Zentralbank zu leihen. Das führt dazu, dass auch die Kredite für die Kunden teurer werden und sowohl Investitionen von Unternehmen als auch der Konsum von Privatleuten abnehmen. Die sinkende Nachfrage hat dann wiederum einen positiven Effekt auf die Preisentwicklung, sodass der Euro wieder an Wert gewinnt und die Inflation gebremst wird.

Sollte man jetzt noch schnell einen Baukreditvertrag abschließen?

Leitzinsen steigen – jetzt noch schnell Immobilienkredit oder Anschlussfinanzierung sichern?Erfahrungsgemäß werden Bauzinsen schon lange vor einer Ankündigung der Europäischen Zentralbank nach und nach angepasst. Doch auch wenn einzelne Kreditinstitute dies erst nach der tatsächlichen Anhebung des Leitzinses tun, wird das unverzüglich passieren. Selbst ein schneller Vertragsabschluss in den nächsten Tagen wird also nicht dazu führen, sich noch die alten Zinssätze zu sichern. Stattdessen besteht bei solch einem Schnellschuss die Gefahr, wichtige Aspekte bei der Baufinanzierung zu übersehen.

Im Gegenteil kann nur dazu geraten werden, sich bei der Baufinanzierung mit der Entscheidung genug Zeit zu lassen und alle Angebote genau zu prüfen. Denn bei einer Immobilienfinanzierung geht es einfach um viel Geld.

Und wie sieht es mit einer Anschlussfinanzierung aus?

Auch bei einer Anschlussfinanzierung sollte man derzeit nichts überstürzen. Eine Anschlussfinanzierung sollte grundsätzlich nicht mit zu langem Vorlauf abgeschlossen werden, da sich die Entwicklungen auf dem Finanzmarkt kaum absehen lassen. Gerade in unsicheren Zeiten wie heute kann keiner wissen, wie sich die Bauzinsen in den nächsten paar Jahren entwickeln.

Zu bedenken ist dabei auch, dass ein langfristig abgeschlossenes Forwarddarlehen zu finanziellen Verlusten führen kann, wenn die Immobilie aus individuellen Gründen noch während der Finanzierung verkauft wird – was gar nicht so selten vorkommt. Wurde der Vertrag für die Anschlussfinanzierung dann schon abgeschlossen, muss bei einem Verkauf eine Vorfälligkeitsentschädigung bezahlt werden, was deutlich ins Geld geht. Deshalb sollte man sich um die Anschlussfinanzierung tatsächlich erst dann kümmern, wenn sie in absehbarer Zeit wirklich gebraucht wird.

Fazit

Lebensmittel- und Energiepreise steigen, die Inflation nimmt zu, der Leitzins wird angehoben – die derzeitigen Entwicklungen können zu starker Verunsicherung führen. Trotzdem sollte man sich gerade bei einer Immobilien- oder Anschlussfinanzierung auch jetzt noch ausreichend Zeit nehmen, um verschiedene Finanzierungsmöglichkeiten zu vergleichen, und den Kredit erst dann abzuschließen, wenn er wirklich gebraucht wird.