Seit die Insolvenz von Air Berlin in den Medien diskutiert wird, rücken auch die Fluggastrechte wieder in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses. Seit 2005 schon gibt es in der EU die Verordnung 261, die sich mit den Fluggastrechten beschäftigt. Sie regelt, wem wann und unter welchen Umständen Entschädigungen durch die Airline zustehen und wie hoch diese ausfallen müssen. Doch gilt die Verordnung für alle Flüge? Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein und was genau steht Dir zu? Und vor allem: Kann man auch gegenüber Air Berlin noch Fluggastrechte durchsetzen?

Für welche Flüge gilt die Fluggastrechte-Verordnung?

Fluggastrechte – wann Dir eine Entschädigung zusteht

Ob es sich dabei um einen Pauschal-, Charter- oder Billigflug handelt, ist bei der Fluggastrechte-Verordnung egal. Um eine Entschädigung einklagen zu können, müssen allerdings einige andere Voraussetzungen vorliegen:

Startplatz und Sitz der Airline

Die Verordnung gilt für alle Flüge, die innerhalb der EU starten, egal wo der Sitz der Fluggesellschaft ist. Aber die Vorschrift gilt auch für alle Flüge in die EU, wenn der Sitz der Fluggesellschaft in der EU, Island, Norwegen oder der Schweiz liegt. Fliegst Du aber von einem Drittstaat los und hat die Airline ihren Sitz woanders, greift die Verordnung nicht.

Gültiges Ticket und Pünktlichkeit

Um Anrecht auf eine Entschädigung zu haben, muss der Passagier ein gültiges Ticket haben und pünktlich beim Check-in gewesen sein. Allgemein gelten 45 Minuten vor dem Abflug noch als pünktlich. Wird der Flug annulliert, gilt diese Regel natürlich nicht.

Ticket für die Öffentlichkeit erhältlich

Eine letzte Voraussetzung ist, dass das Flugticket mittelbar bzw. unmittelbar für die Öffentlichkeit erhältlich sein muss. So gilt die Verordnung zwar nicht für Teilnehmer von z. B. Unternehmensprogrammen, für Fluggäste von verbilligten oder kostenlosen Tickets aus Werbeaktionen jedoch schon.

In welchen Fällen besteht Anspruch auf Entschädigung?

Die Fluggastrechte-Verordnung nennt drei Situationen, in denen Du auf jeden Fall einen Anspruch auf Entschädigung hast:

Nicht-Beförderung des Passagiers

War das Flugzeug zum Beispiel überbucht oder ein Ersatzflugzeug hatte nicht genug Sitzplätze, hast Du drei Möglichkeiten, die Du von der Airline verlangen kannst:

  1. einen kostenlosen Rückflug zum Abflugort zum nächstmöglichen Zeitpunkt und eine Rückzahlung des Ticketpreises oder
  2. eine schnellstmögliche Beförderung zum Zielort oder
  3. einen Flug zu einem anderen gewünschten Zeitpunkt zum Ziel

Vollständige Annullierung des Fluges

Fluggastrechte – wann Dir eine Entschädigung zustehtWird der Flug abgesagt, also vollständig annulliert, gelten andere Regeln. Denn dann hast Du Anspruch auf kostenlose Verpflegung und bei Notwendigkeit auch auf eine Hotelübernachtung. Diesen Anspruch kannst Du aber nicht geltend machen, wenn die Airline Dich über die Annullierung mindestens 14 Tage vorher informiert hat oder wenn sie 7–14 Tage vorher einen Ersatzflug stellt, der aber höchstens zwei Stunden vor der ursprünglich geplanten Reisezeit starten und nicht mehr als vier Stunden nach der ursprünglichen Ankunftszeit landen darf. Zusätzlich gilt, dass sich die Fristen um die Hälfte verkürzen, wenn Du weniger als eine Woche vor Abflug darüber in Kenntnis gesetzt wirst.

Verspätung von 2 Stunden oder mehr

Auch bei einer nicht unerheblichen Verspätung des Fluges hast Du Anspruch auf Entschädigung, wobei für die Berechnung der Verspätung das Öffnen der Türen herangezogen wird und nicht der erste Bodenkontakt des Flugzeugs:

  1. Bei Kurzstreckenflügen unter 1.500 km gibt es ab 2 Stunden Verspätung eine Entschädigung von bis zu 250 € pro Person.
  2. Bei Mittelstreckenflügen von 1.501–3.500 km gibt es ab 3 Stunden Verspätung eine Entschädigung von bis zu 400 € pro Person.
  3. Bei Langstreckenflügen über 3.500 km gibt es ab 4 Stunden Verspätung eine Entschädigung von bis zu 600 € pro Person.
  4. Ab fünf Stunden Verspätung kannst Du die Reise bei einem Zwischenhalt abbrechen und die Ticketkosten anteilig zurückverlangen oder vom Flug zurücktreten und eine vollständige Erstattung ohne Stornokosten erwarten.
  5. Ab 2 Stunden Verspätung muss Dir die Airline etwas zu trinken und zu essen zur Verfügung stellen und gegebenenfalls für eine Hotelübernachtung sorgen. Außerdem hast Du das Anrecht auf zwei Telefonate oder zwei Faxe.

Ausnahmen bestätigen die Regel: Die Fluggastrechte-Verordnung besagt, dass die Airlines nur dann für eine Entschädigung herangezogen werden können, wenn die Fluggesellschaft selbst Schuld an der Verspätung ist. Sogenannte „außergewöhnliche Umstände“ sind damit ausgeschlossen, wie etwa Naturkatastrophen, Streiks, Kriege, Unruhen oder Terrorangriffe, aber auch schlechte Wetterbedingungen und Vogelschlag und sogar unbekannte Konstruktionsfehler! Airlines verweigern Entschädigungen oft, indem sie sich auf „außergewöhnliche Umstände“ berufen.

Wie kannst Du Deine Fluggastrechte durchsetzen?

Wenn Deine Airline sich weigert, Dir eine Entschädigung zu bezahlen, musst Du Deine Rechte manchmal mühsam durchsetzen. Schneller und nervenschonender geht das mit Portalen wie flightright.de oder flugrecht.de. Einfach in wenigen Minuten die Formalitäten online ausfüllen und schon kümmern sich die Anbieter darum, Deine Ansprüche durchzusetzen. Dabei kümmert sich flightright.de europaweit um Fluggastrechte, während sich flugrechte.de auf den deutschen Raum spezialisiert hat. Eine Prüfung Deines Anspruchs ist bei beiden Portalen kostenlos, erst im Erfolgsfall ist eine Provision von 20–30% zuzüglich Mehrwertsteuer fällig.

Aktuell: Wie sieht es mit Entschädigungen bei Air Berlin aus?

Air Berlin hat Insolvenz angemeldet, hat bereits viele Flüge gestrichen und hat den Betrieb Ende Oktober komplett eingestellt. Auf der Website von Air Berlin finden sich Informationen, dass bei Flugstreichungen eine Erstattung des Flugpreises für Buchungen möglich ist, die nach dem 15. August 2017 erfolgt sind. Wurde die Buchung früher getätigt und der Flug gestrichen, kann man eine Forderung erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens anmelden.

Für Flugverspätungen oder Annullierungen für Flüge älteren Buchungsdatums kannst Du bei Air Berlin also momentan keine Entschädigung bekommen. Erst am Ende des Insolvenzverfahrens wird das übrige Geld zu gleichen Teilen an alle Gläubiger ausgezahlt werden, wobei die durchschnittliche Quote bei 2–3% der Forderungshöhe liegt. Ob es sich in diesem Fall lohnt zu versuchen, den eigenen Anspruch auf Entschädigung gegenüber Air Berlin durchzusetzen, muss jeder für sich selbst entscheiden.